The series Bits of Literature gives an insight into the different forms of literary texts that are started, developed, or continued at Solitude. Each contribution introduces a new writer with either a fragment of a novel, a poem, or any other type of text. This time, the poem »Was finden die Dohlen im Sand« of Lithuanian writer Vaiva Grainytė paints a mysteriously vague portrait of the writer herself.
Was finden die Dohlen im Sand?
Was finden die Dohlen im Sand?
Kleine Muscheln
verlorene Ohrringe
Anhänger
Zigarettenstummel
Kinderkacke
einen Zahnstummel
Korken dieses oder jenes Getränks (vorwiegend Sekt)
Schokolade
Apfelbutzen
den Rumpf eines Crocs
Bissen belegter Brote
Tröpfchen der Creme Q10
den Teil eines Badekostüms
Buchstaben aus Zeitschriften
Ruinen von Sandburgen –
und das ist derselbe Sand,
in dem die Dohlen ständig irgendetwas finden.
Wenn die Dohlen die gefundenen Dinge verschlucken,
bin ich ruhig:
Alle Dinge liegen sicher in schwarzen krächzenden Speichern.
PS.: In Anbetracht dessen, dass die Vögel viel Zeit in der Höhe verbringen, könnte man deutlich vernehmbar hinzufügen: „…liegen sicher in schwarzen krächzenden Speichern näher bei Gott.“
PSS.: Und was ist, wenn ich Gott nicht als im Himmel seiend auffasse, sondern denke, er / sie sei überall? Müsste man in diesem Fall schließen: „… liegen in einem schwarzen Krächzen in Gott“?)
Sogar wenn die Dohlen die im Sand gefundenen Dinge nicht schlucken, liegen sie dennoch sicher in Gott.
Aus dem Litauischen von Cornelius Hell