Das Schachspiel gilt als logische Disziplin, als geistige Herausforderung, als strategischer Kampf. Auf den ersten Blick wirkt Schach diametral zur Musik, die emotional und direkt ist. Die Schachgroßmeisterin Vera Nebolsina und die Komponistin Marianthi Papalexandri-Alexandri motivierte dieser Gegensatz zu einer Performance, die die Disziplinen vereint.
Mit dem Programm art, science & business will die Akademie Schloss Solitude zu einem interdisziplinären Diskurs anregen zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Kunst. Eine Brücke zwischen Wissenschaft und Kunst, Bereiche, die nicht immer einfach zu verbinden sind, bildet die Disziplin Schach. Ein Beispiel dafür, wie der Austausch funktionieren kann, ist die Performance chesSound von zwei ehemaligen Stipendiatinnen der Akademie. Diese wurde im Rahmen des Workshops Drawing Pieces: Eine Begegnung zwischen Kunst und Schach an der Akademie vorgestellt.
»chesSound«, solo for prepared chess 2012 – 2014 work in progress, Konzept und Komposition von Marianthi Papalexandri-Alexandri für Vera Nebolsina, Video von Youki Hirakawa
Für die Schachspielerin Vera Nebolsina liegt das Spannende an Schach in der Verbindung dreier Dinge: »Kunst, Wissenschaft und Sport«. Das Zusammenspiel oder vielleicht auch gerade die darin liegende Ambivalenz haben Komponistin Marianthi Papalexandri-Alexandri und Schachspielerin Vera Nebolsina gereizt. Die ehemaligen Stipendiatinnen der Akademie Schloss Solitude haben sich vor zwei Jahren zusammengesetzt, um ein Projekt zu planen, dass diese Disziplinen zusammenbringen sollte. Dem ging voraus, dass Papalexandri-Alexandri Veras Bewegungen beim Schachspielen beobachtete. Ihr fiel auf, dass beim Schach jedem Zug, also jeder Aktion, ein Klang oder ein Geräusch folgte. Sie sei fasziniert von Reduktion und minimalistischen Arbeiten, sagte sie im Gespräch während der Veranstaltung. »It kind of reminds me of the way I work with performance«, erklärt sie ihr Interesse an Schach. In den Bewegungsabläufen des Schachspiels fand sie eine neue Inspiration für ihre Arbeit als Komponistin. Das Ergebnis ist die Performance chesSound. Im Zuge der Zusammenarbeit wurden Fragen nach Schach und Klang gestellt und nach der Begegnung der ehemaligen Stipendiatinnen auf Solitude.
Das interdisziplinäre Projekt zwischen Kunst und Musik stieß bei der Profispielerin Vera Nebolsina zunächst auch auf einiges Befremden: Wieso sollte man die Figuren dazu verwenden, Klänge und Sound zu erzeugen? Am Ende resümmiert sie aber: »It’s very thought-provoking to investigate different kinds moves and movements, draw parallels and learn not to hear, but listen…« Für Marianthi Papalexandri-Alexandri lag die Herausforderung vor allem darin, mit einem vorgegebenen Raum umzugehen. Die Grenzen, die das Schachbrett vorgibt, sind für die Komponistin neu. Durch die ungewohnten Gegebenheiten mussten Komponistin wie Schachspielerin damit ihren gewohnten Umgang mit ihrer Profession verlassen.
Genau diese Idee verfolgt das art, science & business Programm der Akademie Schloss Solitude. Ziel ist es, der Begegnung von Menschen verschiedener Bereiche einen Raum zu geben, um intensive Reflexionen zu ermöglichen und Impulse für neue Denkansätze zu geben. Daraus entstehen die unterschiedlichsten Projekte und Ideen. Wie diese aussehen, ist vielfältig. Zudem ist der Austausch nicht immer einfach. Gerade zwischen exakten Wissenschaften auf der einen Seite und Geisteswissenschaften und Kunst auf der anderen, lässt sich nur schwer eine Verbindung herstellen. Als Brücke zwischen den Disziplinen wurden 2011 deshalb Schachstipendien eingeführt. Schach, das nach dem Schachspieler Garri Kasparow »Logik, Phantasie, Selbstdisziplin und Entschlossenheit« lehrt, ist exakt und kreativ zugleich und schafft damit eine Schnittstelle. Was daraus in den letzten Jahren entstanden ist, wurde immer wieder in Form von Veranstaltungen und Workshops präsentiert.
Von Simone Bäuchle