Wiping History the Grin Off Its Face

Read text in German.

In the linguistic understanding of the Sapir-Whorf hypothesis, one’s specific approach to the world, to reality, is determined by the use of a language. In short: language defines the way we think.

»Good books are written in a kind of foreign language.« Marcel Proust

In spite of its futuristic, almost extra-terrestrial appearance, the presence of this. Thing. Had nothing strikingly invasive or aggressive to it. On the contrary, it existed in a kind of tranquillity that calmly worked away. Smooth, flat, black, shiny. On my desk, there was this. Thing. Had always been there, maybe. A black surface in the corner of my eye.
A blind spot that I had grown accustomed to. Something that, humming away quietly, had gotten so close to me that there was no space left, not a step, not a word, there was nothing between us that could have allowed for any kind of observation or insight even on the actual nature of this. Thing. Because. This. Existence. Penetrated me and my language. It penetrated my way of thinking. The. Thing. Had become my language. Embedded in it as I was, I could neither hear nor see it.

What I did see and hear was the freshly shaven, always happily smiling, repetitive history, under whose social-democratic starring selfie hate and contempt for mankind were vomiting away. And every time I indignantly tried to raise my voice, to counter–comment with my language, my thoughts, this text, this freshly shaven, menthol-mouthwash-covering-up-advanced-putrefaction-scented, by the hundredfolds reanimated, unkillable, zombie text, simply kept on writing itself. I was feeding my language, which was not even my language any more, into this reeking, everything and everyone and most of all itself, repeating text. Hour after hour, I tried to break through its surface. I was way too angry to understand its nature. I did not see it. I did not see this. Thing. The shape out of which it spoke, peacefully and quietly and indestructibly droned away and rented out a cool, tidy, safe and sealed room to that buzzing blowfly circled history loop. I started to cry and scream. I became stubborn and angry and childish and constantly tried to take inconsistent strategic sidesteps and whispered intimacies into the ear of this unimpressed smiling fake face and fact text – as if it were a sick and injured animal, struggling with death, caught in my apartment, on the verge of wrecking all my furniture. An animal that I tried to calm, to then lay it down far, far away, on a soft and fluffy forest floor, only to turn my back on it the very next second and to run away, without any hesitation, to leave it to its fate, alone in the forest. So I wrote myself deeper and deeper into the unimpressed menthol- and aftershaved smile of rampant hatred.
After a while I began to dawdle in the morning. I used a lot and lots more floss, drank dozens of cups of coffee, and nearly fell out of my apartment, shaky and with flying colors, as if I was late for an important, lifesaving appointment; I left everything I needed in order to be able to work (What was it again? What was it that I needed?) lying on my desk, and realized, while standing there on the street that, in spite of a huge inner urgency (Justify! Explain! Act!) I did not know what to do with this day. In truth, I knew that there was something. That there was something that I could not truly grasp. That stirred me, in a way that I did not understand. In truth, I was scared. Truly scared. In truth, I did not want to expose myself to this. Thing. That penetrated my thoughts and my language, as long as I did not know where it had come from and what it wanted. But how was that supposed to work? With all this being just a diffuse feeling that I could not even admit to myself?

But I could not run away from the fact that standing here, on this street, my arms dangling, did not get me anywhere. There was nothing I could do, but to go home, hold my breath and sit down, my back up straight, at my desk. I wanted to resolve it. Why I stood no chance against the smooth and eternal grin of that facial and factual historic putrefaction. All this anxiety. I wanted to get rid of it, once and for all. I rolled up my sleeves. There had to be something, strong enough to wipe the grin off that fake-fact-face. There had to be something I could work with! I concentrated. I cannot even tell, how much time passed. I was sitting there, maybe for days. And I heard my heart, heavily working in my chest. Yes, I pushed myself away, millimeter by millimeter, slowly pumping, I created an arm’s length distance between myself and this. Thing. And finally I could observe it, finally I could put my hand on its smooth surface. Finally, it got warmer at the touch of my hand and slowly changed its shape.

 


 

Der Geschichte das Grinsen aus dem Gesicht wischen

Die Sapir-Whorf Hypothese geht von der sprachtheoretischen Auffassung aus, dass sich mit dem Gebrauch einer Sprache eine spezifische Sicht auf die Welt, die Realität verbinde. Verkürzt wird oft gesagt: Die Sprache bestimmt das Denken.

»Die guten Bücher sind in einer Art Fremdsprache geschrieben.« Marcel Proust

Trotz des futuristischen, ja fast extraterrestrischen Äußeren hatte die Präsenz dieses. Dings. Nichts augenscheinlich Invasives oder Aggressives an sich. Im Gegenteil. Es existierte in einer Unaufgeregtheit, die ruhig vor sich hinarbeitete. Glatt, flach, schwarz, glänzend. In meinem Arbeitszimmer, auf meinem Schreibtisch, war dieses. Ding. Vielleicht immer schon dagewesen. Eine schwarze Fläche im Augenwinkel. Ein blinder Fleck, an den ich mich über die Jahre gewöhnt hatte. Etwas, das leise surrend so nahe an mich herangetreten war, dass es keine Distanz, keinen Schritt zurück, kein Wort, nichts mehr zwischen uns gab, das eine Betrachtung, oder gar Erkenntnis über die tatsächliche Beschaffenheit, ja die Existenz dieses. Dings. ermöglicht hätte. Denn. Diese. Existenz. durchdrang mich und meine Sprache. Sie durchdrang die Art und Weise, wie ich dachte. Das. Ding. War zu meiner Sprache geworden. Darin eingebettet, konnte ich es weder hören noch sehen.

Was ich allerdings sah und hörte war die frischrasierte, immer freundlich lächelnde, sich unaufhörlich wiederholende Geschichte unter deren sozialdemokratisch dreinblickendem Selfie sich Hass und Menschenverachtung erbrachen. Und immer, wenn ich empört ansetzte, um mit meiner Sprache und meinem Denken dagegenzukommentieren, schrieb sich dieser Text, dieser, frischrasierte, nach mit-Mentholmundwasser-zu-überdecken-versuchter-Verwesung riechende, schon hundertfach wiederbelebte, nicht tot zu kriegende, Zombietext, gelassen weiter. Meine Sprache, die ja gar nicht mehr meine Sprache war, speiste ich ganz einfach in diesen übelriechenden, alles und jeden und vor allem sich selbst wiederverwertenden Text ein. Stundelang versuchte ich seine grinsende Oberfläche zu durchbrechen. Aber ich war viel zu wütend, als dass ich seine Beschaffenheit erkannte. Ich sah es nicht. Ich sah nicht wie dieses. Ding. Friedlich leise und unkaputtbar vor sich hin brummend, dem Schmeißfliegen umkreisten Geschichtsloop einen angenehm kühlen, aufgeräumten und abgesicherten, verriegelten Raum in Miete stellte. Während ich anfing zu schreien und zu weinen, trotzig und zornig und kindisch wurde und immer wieder unvermittelt einen inkonsequenten strategischen Haken schlug und dem unbeeindruckt weiterlächelnden, verlogenen Gesichts- und Geschichtstext, Zutraulichkeiten ins Ohr flüsterte, als hätte ich es mit einem kranken und verletzten Tier zu tun, das im Todeskampf und meiner Wohnung gefangen, die Inneneinrichtung zu zerstören drohte. Ein Tier, das ich besänftigen wollte, um es weit, weit, weit weg, irgendwo da draußen auf den weichen Waldboden zu legen, nur um ihm dann abrupt den Rücken zuzukehren, und es ohne großes Zögern davonlaufend, alleine im Wald seinem Schicksal zu überlassen. Und so schrieb ich mich immer tiefer hinein in das unbeeindruckte menthol- und rasierwässrige Lächeln des wuchernden Hasses.

Irgendwann begann ich morgens zu trödeln. Ich benutzte viel und ausgiebig Zahnseide, trank am Küchentisch sitzend, dutzende Tassen Kaffee und stürzte schließlich, zittrig und mit wehenden Fahnen, als käme ich zu spät zu einem wichtigen, überlebenswichtigen Termin, regelrecht aus der Wohnung; ließ alles was nötig gewesen wäre (Was war es nur? Was wäre nur nötig gewesen?) um zu arbeiten, am Schreibtisch liegen, und stellte auf der Straße stehend fest, dass ich trotz großer innerer Dringlichkeit (Begründen! Erklären! Handeln!) nichts mit diesem Tag anzufangen wusste. In Wahrheit ahnte ich, dass da noch was war. Dass da etwas war, dass sich meiner Wahrnehmung entzog. Dass mich auf eine Weise bestimmte, die ich nicht verstand. In Wahrheit hatte ich Angst. Große Angst. In Wahrheit wollte ich mich diesem. Ding. Das mich, mein Denken und meine Sprache durchdrang, nicht mehr aussetzen, bevor ich es nicht vollkommen verstanden hatte, bevor ich nicht erfasst hatte woher es gekommen war und was es wollte. Aber wie sollte das funktionieren? Wenn das alles doch nur ein diffuses Gefühl war, das ich noch nicht mal vor mir zugeben konnte?

Der Tatsache aber, dass ich so, mit hängenden Armen auf der Straße stehend, nicht weiterkam, konnte ich nicht mehr ausweichen. Es blieb mir nichts Anderes übrig, als zurück in die Wohnung zu kehren und mich mit angehaltenem Atem, aufrecht an den Schreibtisch zu setzten. Ich wollte es klären. Warum ich nicht gegen das aalglatte Dauergrinsen der Gesichts- und Geschichtsverwesung ankam. Dieses ganze Unbehagen. Das wollte ich alles ein für alle Mal beseitigen. Also krempelte ich die Ärmel hoch. Irgendetwas musste es doch in mir geben, das stark genug war, dieser Geschichtsfresse ihr Grinsen aus den Mundwinkeln zu wischen? Mit irgendwas musste sich doch da arbeiten lassen? Ich konzentrierte mich. Ich kann gar nicht sagen wieviel Zeit verging. Vielleicht saß ich ganze Tage so da. Und hörte mein schwer schuftendes Herz im Brustkorb schlagen. Ja ich stieß mich langsam, Millimeter für Millimeter ab, brachte pumpend, eine ganze Armlänge Abstand zwischen mir und diesem. Ding. Und konnte es endlich betrachten, endlich meine Hand an seine kalte glatte Oberfläche legen. Endlich wurde es unter meiner Handfläche wärmer und veränderte langsam seine Form.