Seduced!

Read text in German.

And yet another evening that the right wing populists could claim as their own, without even being there, without even having to be there. As soon as the word was dropped, everyone launched themselves at it – even though this should have been about something else. About a world out of tune and how to play on it. The answers to that: pushed aside, or put up against the wall?

It’s as if we love to get worked up over right wing populists. Because they are hurting us? As if we can yell those ghosts away by getting more and more agitated. As if we did society a service by pouring out these torrents of words that turn our heads purple. There is bickering, there is scandalization – and scandalized we all go home. What kind of a theatrical ritual was that? A collective licking of our gaping wounds?

We take on the aggressions. The dogmatism

The seductions are already here, on all levels, in all part of our society, in all age groups. In art. In language and in our bodies. We take on the aggressions. The dogmatism. The putting others into places. The shouting others down.

We take on their choice of words, we take on their reductionism, we polarize and define, cut off and cut to size, form factions and frontlines. As if our only option, when taking on right wing populists, is to become populists ourselves.

Vanity is the smoothest way of denying others their space

Left behind!!! How disgracefully the left betrayed itself and left behind the kids in the banlieues! It is the artistic director of a big theatre in Berlin, who acts as if he himself was left behind. Did he forget that he is actually the one potentially leaving others behind? Not willing to let the word nor the microphone out of his hands. Is it vanity? Never before did I see it this clearly: vanity is the smoothest way of denying others their space – to remain in the ductus, the smoothest way of leaving others behind. Or is he afraid people could ask what the kids in the banlieues have to do with German right wingers? Those right wingers are not kids, they are not left behind, they are well-off, elderly people who complain – and they are used to complaining, and they are not used to letting the word out of their hands. Just like the men in the audience, now raising their hands, and talking and talking and they, too, once they got hold of the word, they do not let go of it.

They own and guide these words, for years and decades

We distract ourselves and we let them distract us and it is the well-oiled machinery of right wing populism that has a more consequent and straight-forward language than their opponent does: distract in order to stir us towards their facts and truths. Towards their words that, once they have gotten hold of them, they do not let go. They own and guide these words, for years and years and decades. Long enough for their political opponents to get used to them, to use them. And still, it seems, we have not fully understood and realized how this perfect framing method works: just a small part of it can be seen, just one side of it. The one that makes an assumption and repeats it, over and over again, until it stands there, strong and singularly.

Change of scene.
A young man, sitting next to me on the podium, holding the side of his sneaker/ his sneakers into my face. There he sits, legs wide apart, wider and wider by the second, it feels. This seat is secured. He wants to look into the heads of the extreme right wingers, he says, and smiles like a winner. And he accuses and blames (us? me?), for constantly attacking him on this. He feels that he is treated like a Nazi. When the true Nazis are people like Menasse, who really turn people into Nazis. On this night in Vienna, I saw a person outing himself as a rebel in order to promote an understanding for Trump and right wing populists. And a whole group of young men in the audience channelled him: they insinuated that they were being muzzled, because they were open-minded enough to be interested in the ›other‹, the political right and the Trumps and so on. They acted through the bodies and ways of liberators.

Block the way for dogmatism with its shortened perspectives

Later, the audience members pat our backs. Finally a controversial debate. Most importantly: controversial. Am I right? I had fought with all I had – with voice, arguments, hardness and sharp pugnacity, with all the means of a fight. I did not lose, but I did not win either. Since then, I would like to find out, what measures and means are necessary in order to – early on – block the way for dogmatism with its shortened perspectives; before the quarreling and bickering and discrediting seems inescapable.

 

»Verführt!«

Und wieder ein Abend, der den Rechtspopulisten gehörte, ohne dass sie da waren, ohne dass sie da sein mussten. Kaum fiel das Wort, stürzten sich alle darauf, auch wenn es um etwas Anderes gehen sollte. Darum, wie die aus den Fugen geratene Welt künftig bespielbar ist. Die Antworten darauf wurden sogleich an den Rand gedrängt, oder an die Wand gestellt?
Als sei es wichtiger, uns zu ereifern. Wozu? Weil sie uns weh tun? Als könnten wir ihren Geist wegschreien, wenn wir uns nur lange genug über sie echauffierten. Als würden wir schon einen Dienst an der Gemeinschaft vollbringen, wenn wir uns die Köpfe rot reden und den Mund dusselig. Und schimpfen und skandalisieren – und skandalisiert nach Hause gehen. Was für ein Theater-Ritual? Ein gemeinsames Lecken gerissener Wunden?

Wir übernehmen ihre Wortwahl, wir polarisieren

Die Verführungen sind längst angekommen, auf allen Ebenen, in allen Schichten, in allen Altersgruppen. In der Kultur. In der Sprache und in unseren Körpern. Wir übernehmen die Aggressionen. Das Besserwissen. Das Zurechtweisen. Das Niederschreien.
Wir übernehmen ihre Wortwahl, wir übernehmen ihre Engführungen, wir polarisieren und definieren verkürzt und kurzgeschaltet und lassen uns darauf ein, Lager zu bilden und Fronten zu schaffen. Als könnten wir uns im Sprechen über die Rechtspopulisten nicht davor wehren, selbst zu Populisten zu werden.
Und Schuldige auszumachen.
ABGEHÄNGT !!! Wie schändlich die Linke sich selbst verraten, und die Jungs in den Banlieus abgehängt hätte! Es ist der Intendant eines großen Berliner Theaters, der sich ereifert, als sei er selbst der Abgehängte. Hat er vergessen, dass er selbst zu den potenziellen Abhängern zählt? Und das Wort mitsamt dem Mikro nicht mehr aus der Hand lassen will? Ist es die Eitelkeit? Noch nie wurde mir so deutlich, dass Eitelkeit die geschmeidigtste Form ist, anderen den Raum zu verwehren – um beim Wort zu bleiben, die eleganteste Form des Abhängens. Oder hat er Angst, es könnte die Frage auftauchen, was denn die abgehängten Kids in den französischen Banlieus mit den deutschen Rechtspopulisten zu tun haben? Die sind keine Kids, die sind auch nicht abgehängt oder verarmt, sondern oft wohlhabende Greise, die sich empören – und die es gewohnt sind, sich zu empören, und einmal ergriffen, das Wort nicht mehr aus der Hand zu lassen. Und auch die Männer, die sich jetzt aus dem Publikum melden, reden und reden, und auch sie wollen, einmal das Wort ergriffen, es nicht wieder aus der Hand lassen.

Ein Teil nur wird wahrgenommen, eine Behauptung aufgestellt

Wir lenken uns ab und wir lassen uns ablenken und es ist eine bewährte Strategie der Rechtspopulisten, die sprachlich konsequenter sind, als alle anderen ihrer politischen Gegner: Abzulenken und auf ihre Wahrheit hinzulenken. Auf ihre Wortwahl, die sie, einmal ergriffen, nicht wieder aus der Hand lassen. Sie führen sie über Jahre und Jahrzehnte. Lange genug, dass sich auch die politischen Gegner an sie gewohnt haben und sie verwenden. Und noch haben wir anscheinend zu wenig verstanden und begriffen, wie perfekt ihre Methode des Framings funitioniert: ein Teil nur wird wahrgenommen, eine Seite nur gesehen, eine Behauptung aufgestellt, und die wir so oft wiederholft, bis sie standhaft und einzig in der Welt steht.

Schauplatzwechsel.
Der junge Mann, der mit mir auf dem Podium sitzt, bietet mir die Breitseite seines Turnschuhs an. Breitbeinig sitzt er da, immer breiter, hab ich das Gefühl. Haupsache schon mal den Platz sichern. Er will in die Köpfe der Rechtsextremen schauen, sagt er und grinst wie ein Gewinner. Und er klagt an und er beschuldigt (uns? mich?), weil er sich deshalb ständig angegriffen sieht. Wie ein Nazi würde er sich behandelt fühlen. Dabei sind die wahren Nazis Leute wie Menasse, weil nämlich der die anderen zu Nazis mache.

Endlich wieder eine kontroverse Diskussion

An diesem Abend in Wien sah ich einen, der sich als Rebell outete, als er um Verständnis für Trump und für die Rechtspopulisten warb. Und eine ganze Gruppe junger Männer im Publikum tat es ihm nach: sie unterstellten, dass man sie mundtot machen würde, weil sie offen genug seien, sich für die Rechten und die Trumps zu interessieren. Sie agierten im Körper und im Stil von Befreiern.
Später klopfen uns die Zuschauer auf die Schultern. Endlich wieder eine kontroverse Diskussion. Haupsache kontrovers. Net woar. Ich hatte gekämpft mit allem, was ich hatte, mit Stimme, Argumenten, Schärfe und scharfer Kampfeslust, mit den Mitteln des Kämpfens. Ich habe nicht verloren, aber auch nichts gewonnen. Seither möchte ich herausfinden, mit welchen Mitteln es gelingen kann, den Mitteln des Rechthaberischen mit seinen verkürzten Weltansichten früher den Weg zu versperren. Bevor der Weg des Aufeinander Einhackens zwingend scheint.